Derzeit fallen in Österreich pro Jahr rund 900.000 Tonnen Plastikmüll an, laut Ministerium machen Getränkeverpackungen etwa 50.000 Tonnen davon aus. Der Müll soll künftig besser getrennt und recycelt werden: Die EU gibt vor, dass 2029 90 Prozent der Getränkeverpackungen aus Kunststoff getrennt gesammelt werden müssen. Die Quote in Österreich liegt derzeit bei etwa 70 Prozent. Ziel ist darüber hinaus ein Anteil von 25 Prozent recyceltem Kunststoff in PET-Flaschen ab 2025 und von 30 Prozent in allen Kunststoffflaschen ab 2030.
Einführung von Mehrweg und Pfand
Nach eineinhalb Jahren Verhandlungen haben sich ÖVP und Grüne geeinigt: Österreich bekommt ein Einwegpfand auf Plastikflaschen und Getränkedosen. Im Ministerrat wurde am 13. Oktober 2021 Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 – AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket beschlossen. Darin heißt es: In Umsetzung des von der Europäischen Union veröffentlichten Kreislaufwirtschaftspakets sollen Vorgaben zur Vermeidung, für die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling von Abfällen und die Pflicht zur getrennten Sammlung von Abfällen erweitert sowie ein Verbot der Verbrennung von Abfällen, die für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling getrennt gesammelt werden, festgelegt werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Ausbau der erweiterten Herstellerverantwortung.
In Umsetzung des Regierungsprogramms sieht die AWG-Novelle Vorgaben zum Ausbau des Angebots bzw. Absatzes von Mehrweg-Getränkeverpackungen im Lebensmitteleinzelhandel vor, damit die Mehrwegquote von Getränkeverpackungen bis 2025 auf mindestens 25% und bis 2030 auf mindestens 30% steigt. Damit wird ein großer Beitrag zur Vermeidung von Kunststoffabfällen geleistet.
Die Höhe des Pfands noch nicht fix
Weiters ist ein Pfand für Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff oder Metall ab 2025 einzuheben. Damit ist gewährleistet, dass die von der EU geforderten Sammel- und Recyclingvorgaben erfüllt werden. Mit dieser klaren Vorgabe können rechtzeitig die nötigen Vorbereitungen getroffen werden. Wichtig wird es auch sein, dass die diesbezügliche Verordnung ehestmöglich ausgearbeitet und erlassen wird.
Bei der Erstellung bzw. Erlassung sollen folgende Grundsätze gelten: Entsprechend der Verpackungsrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie soll ein kosteneffizentes zentrales System (eine zentrale Stelle), das von Herstellern und Handel organisiert wird, eingerichtet werden. Die Finanzierung des Einwegpfandsystems erfolgt durch Beiträge der Abfüller und Importeure, durch Altstofferlöse und den nicht ausbezahlten Pfandbeträgen („Pfandschlupf“).
Nach wie vor ist allerdings nicht klar, wie hoch das Pfand auf Einweggebinde ausfallen wird. Die Kriterien sollen zusammen mit Vertretern der Wirtschaft nun erarbeitet werden. Fix ist bisher nur, dass Plastikflaschen und Dosen in allen Größen unter die Pfandregelung fallen sollen.
Zwei Varianten zur Mehrwegquote
Im neuen Abfallwirtschaftsgesetz ist darüber hinaus eine Mehrwegquote festgelegt. Supermärkte, die größer als 400 m2 sind, müssen Mehrweg anbieten. Schrittweise: Ab 2024 mindestens in jeder dritten Filiale, ab 2025 in 90 Prozent. Dabei kann der Handel wählen: Entweder ist sicher gestellt, dass 10 – 15 Prozent in allen Kategorien (Bier bis Saft) in Mehrweg angeboten werden. Ein Beispiel aus dem Klimaschutzministerium: Bietet ein Händler zehn verschiedene Biersorten an, müssen mindestens zwei davon in Mehrwegflaschen abgefüllt sein.
Eine Ausnahme gibt es hier für alkoholfreie Getränke in kleinen Flaschen und Dosen bis zu 0,5 Liter, zum Beispiel Energydrinks. Denn diese Getränkegebinde der Kategorien Wässer, Säfte und alkoholfreie Erfrischungsgetränke werden in den meisten Fällen unterwegs („on-the-go“) konsumiert. Da das Getränk somit längere Zeit getragen wird, spielt für die Konsumenten das Gewicht der Verpackung bei der Kaufentscheidung eine Rolle. Deshalb ist das Angebot an Mehrweggetränkeverpackungen, die aus Glas sind, in diesem Segment im Lebensmitteleinzelhandel noch nicht ausreichend vorhanden (anders als in der Gastronomie, wo der Gast vor Ort konsumiert). Deshalb werden diese Kleingebinde bis einschließlich 500 ml aus Kunststoff oder Metall, die ab 1. Jänner 2025 gemäß § 14c jedenfalls dem Einwegpfand unterliegen werden, von der Berechnung der Mehrwegquote ausgenommen. Die geordnete Sammlung und ein gesichertes Recycling sind durch das Einwegpfand gesichert. Erfahrungsgemäß gibt es in Einwegpfandsystemen wesentlich mehr Rückgabestellen, weshalb eine ordnungsgemäße Sammlung zusätzlich erleichtert und Littering effektiv verhindert wird.
In der zweiten Variante muss der Händler eine bestimmte Mindestmenge an verkauften Mehrweggetränken garantieren. 25 Prozent des verkauften Gesamtvolumens pro Getränkekategorie müssen in Mehrweggebinden abgefüllt sein. In jeder Kategorie muss es mindestens ein Produkt in einer Mehrwegflasche geben.
Ziel sei es, so eine Aussendung der Klimaschutzministerin, dass 2030 insgesamt 30 Prozent der in Österreich verkauften Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt werden. Diese werden laut Ministerium bis zu 50-mal wieder befüllt.
Gemischte Reaktionen
Die Reaktionen auf die Ankündigung fielen erwartungsgemäß gemischt aus. Heimische NGOs sprechen von einer Kompromisslösung und orten auch massive Einbußen bei den Mehrweg-Vorgaben.
Die Ara begrüßt den Beschluss, will jedoch eine ganzheitliche Lösung für alle Kunststoffverpackungen auf dem Markt. „Denn das Einwegpfand ist nur ein Teilaspekt zur Erreichung der EU-Ziele und für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft“, erklärt ARA Vorstand Christoph Scharff.
Für Unabhängigkeit plädiert Werner Hochreiter, Umweltexperte der AK Wien und warnt: „Wichtig ist unter anderem, dass ein Einwegpfandsystem unabhängig von jeglichem Einfluss vom ARA-Verpackungssammelsystem und von den Großformen des Lebensmittelhandels eingerichtet werden muss. Es darf nicht so wie in Deutschland passieren, dass der Handel zum Eigentümer der zurückgenommenen Pfandflaschen wird und somit mit dem Einwegpfand Millionen-Profite machen kann. Sonst wäre jede Handelskette somit ein Monopolist, von dem die Abfüller, die das Recyclat ja wiedereinsetzen sollen, dann teuer abkaufen müssten.”
„Nach so langem Widerstand sehen nun auch ein Großteil des Lebensmitteleinzelhandels und der Getränkeabfüller sowie die ARA AG ein, dass verpflichtende Mehrwegquoten in Kombination mit einem Pfand auf Einwegplastikflaschen und Aludosen die ökologisch und ökonomisch beste Lösung für die Umsetzung des EU-Kreislaufwirtschaftspakets und der EU-Single-Use-Plastics-Richtlinie in Österreich sind,“ freut sich argeAWV.at-Präsident Bgm. Anton Kasser. Und gibt in der Aussendung zu bedenken: Die Kommunale Abfallwirtschaft kann sich dadurch das Einsammeln einer Menge von unachtsam weggeworfenen Getränkeverpackungen ersparen, die bisher Kosten in Höhe von 10 – 20 Mio. € pro Jahr verursacht haben.
Grüne: Sieg für Umwelt und Klima
Für Astrid Rössler, Umweltsprecherin der Grünen, ist die Einführung des Pfandsystems für Plastikflaschen und Dosen ein Sieg für Umwelt und Klima: „Es freut mich, dass die Widerstände überwunden werden konnten, denn Mehrweg und Pfand sind der richtige Weg von der Wegwerfgesellschaft hin zur Kreislaufwirtschaft. Jetzt erwarten wir sichtbare Zeichen von Wirtschaft und den Konsument*innen – denn jeder Einkauf ist auch eine Entscheidung für oder gegen den Umweltschutz.” Rössler appelliert daher an Getränkehersteller und den Handel, diesen Weg zur Kreislaufwirtschaft mit einem vielfältigen Angebot und einer fairen Preisgestaltung bei Mehrwegsystemen zu unterstützen.
SPÖ-Herr fordert mehr Tempo bei der Umsetzung von Pfand
SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr zeigt sich angesichts des heutigen Ministerratsbeschlusses zum Einwegpfand für Plastik und Getränkedosen erfreut: „Wir als SPÖ haben schon lange ein Pfandsystem gefordert – endlich geht hier was weiter!“ Die Abgeordnete kritisiert jedoch die langsame Umsetzung des Pfands sowie die Ausnahme von Gebinden unter 0,5 Liter bei der Mehrwegquote: „Die Ausnahme von kleinen Dosen hat eine große Auswirkung und bremst im Kampf für ein nachhaltiges Mehrweg- und Pfandsystem!“ Profitieren davon würden große Getränkedosenabfüller wie etwa Red Bull oder Coca Cola. „Anscheinend waren wieder einmal die Interessen der großen Konzerne für die Bundesregierung wichtiger als die Umwelt“, so Herr und ergänzt: „Außerdem ist der Umsetzungszeitpunkt mit 2025 viel zu spät!“
FPÖ: Pfand muss aufkommensneutral gestaltet werden
„Die FPÖ hat als erste Parlamentspartei die Einführung des Plastikpfandes nach deutschem Vorbild gefordert. Es ist daher begrüßenswert, dass die türkise Blockadehaltung gestoppt wurde und die Regierung sich heute im Ministerrat auf ein Pfand für Plastik und Getränkedosen durchringen konnte”, so FPÖ-Umweltsprecher NAbg. Walter Rauch, „die Höhe des Einwegpfandes darf daher in jedem Fall nicht höher als beim Mehrwegpfand sein. Eine allgemeine Erhöhung des Pfandes würde die Konsumenten zusätzlich belasten und das lehnen wir strikt ab. Die FPÖ wird sich daher für ein aufkommensneutrales Pfand einsetzen.”
WKÖ-Umweltexperte Streitner: „Brauchen praxistaugliche Umsetzung des Kreislaufwirtschaftspakets“
„Der ökologische Nutzen steht zwar in keinem Verhältnis zum Aufwand, den der Aufbau eines Parallelsystems zum bewährten österreichischen Sammelsystem verursacht. Doch wir nehmen die Entscheidung der Bundesregierung für das Einwegpfand zur Kenntnis. Nun gilt es für eine praxistaugliche Umsetzung der Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes inklusive des Einwegpfandes und der vorgesehenen Mehrwegquoten zu sorgen“, fordert Jürgen Streitner, neuer Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Vor allem auf kleinere Einzelhändler und Gewerbebetriebe wie zum Beispiel Bäcker oder Fleischer, die oft schon aus Platzgründen keine Rücknahmeautomaten aufstellen können, müsse entsprechend Rücksicht genommen werden.
Dazu kommt, dass nur auf die Getränkeverpackungen zu achten, „zu kurz gedacht ist“, wie Streitner sagt: „Um die EU-Recyclingquoten zu erfüllen, brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Für die Erreichung des EU-Recyclingziels für Kunststoffverpackungen leistet das Einweg-Pfand auf Getränkeflaschen nur einen marginalen Beitrag“, so Streitner. Aus diesem Grund habe die WKÖ gemeinsam mit den einschlägigen Fachverbänden den Zehn-Punkte-Plan für eine alltagstaugliche Kreislaufwirtschaft erstellt. Dieser setzt am bestehenden Sammelsystem an und sieht dort, wo es nötig ist, Verbesserungen vor. Dadurch werde etwa die Sammlung sämtlicher Kunststoffverpackungen und anderer Wertstoffe im Outdoorbereich und im gewerblichen Bereich erleichtert und gefördert.
Ein Schritt in Richtung Praxistauglichkeit ist aber die etappenweise Einführung von Mehrwegquoten: „Auch wenn wir hier das Prinzip der Freiwilligkeit bevorzugt hätten, gibt das den Unternehmen zumindest Zeit, sich vorzubereiten“, sagt der WKÖ-Experte.
Sammel- und Klimaziele gemeinsam erreichen
In einer gemeinsamen Aussendung fordern REWE Group, Hofer und Lidl Österreich mit eine Gesamtlösung für Mehrweg- und Einweg-Pfand. Und auch Herbert Bauer, Generaldirektor CCHBC Österreich (Coca-Cola und Römerquelle) sieht die Novelle positiv. „Im Schulterschluss mit vielen anderen österreichischen Getränkeherstellern und großen Teilen des österreichischen Handels, sehen wir im Hinblick auf die bevorstehende AWG-Novelle im kombinierten Einsatz von Mehrweg und einem Pfandsystem auf Getränke-Einwegverpackungen eine gesamtheitliche Lösung, die konsumentenfreundlich und ökonomisch wie ökologisch sinnvoll ist. Die Förderbarkeit von Rücknahmeautomaten und Mehrweg-Getränkeanlagen im Rahmen des österreichischen Resilienzplans im Umfang von 110 Millionen Euro sehen wir dabei als große Chance, um die gesetzten Sammel- und Klimaziele in den nächsten Jahren gemeinsam zu erreichen.
Der Handelsverband weist einmal mehr daraufhin, dass das Einwegpfand nicht auf Kosten der Nahversorgung umgesetzt werden darf. Handlungsbedarf besteht insbesondere bei den tausenden kleineren Nahversorgern des Landes. Sie müssen sich im Zuge der Implementierung eines bundesweiten Einwegpfand-Systems auf gravierende Mehrbelastungen und finanzielle Zusatzaufwände etwa für Rücknahmeautomaten einstellen.
Doch manche Nahversorger scheinen dennoch bereits zufrieden mit dem Weg zu sein, so etwa Anna Malinovic und Ronald Gollatz vom Kaufhaus Hannersdorf: „Wir sind der einzige Nahversorger in Hannersdorf. Wir wissen, dass es für unsere Kundinnen und Kunden ein Anliegen ist, dass sie ihre Einweg- und Mehrwegverpackungen bei uns im Kaufhaus zurückbringen können – vor allem der Umwelt zuliebe, und sie erwarten es vom Kaufhaus im Ort auch als Service. Wir sehen darin den Vorteil, dass durch die Rückgabemöglichkeit über das Pfandsystem die Kundenfrequenz steigt.“
Hier finden Sie die 31 Seiten lange Erläuterung rund um die Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 – AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket